Wie nachhaltig ist Liechtenstein? Eine fürstliche Perspektive

Im Rahmen des Let’s Talk Symposiums wurde S.D. Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein vom Präsidenten des Europäischen Forums Alpbach Franz Fischler zu verschiedensten Aspekten der Nachhaltigkeit im Fürstentum Liechtenstein befragt. Passenderweise fand das Symposium im Liechtenstein-Saal des Congress Centers statt. Im Publikum befanden sich hochrangige Personen, darunter die Botschafterin Liechtensteins in Österreich, I.D. Maria Pia Kothbauer, die Botschafterin Liechtensteins in Brüssel, Sabine Monauni, sowie Stephanie Liechtenstein und der renommierte Historiker Gerald Stourzh.

S.D. Erbprinz Alois eröffnete das Gespräch mit der Erörterung des Begriffs „Nachhaltigkeit“ und in welchem Zusammenhang dieser die Geschichte der Familie Liechtenstein prägt(e). Zu Beginn des 18. Jahrhunderts kam das Konzept in Böhmen und Mähren auf, dort wo die Familie grosse Ländereien, v.a. Wälder besessen hatte. Die Forstwirtschaft wurde nach dem simplen Prinzip: „Das was gefällt wird, soll wieder nachwachsen“ betrieben. Dieser Grundsatz präge auch heute seine politische Sichtweise als Staatsoberhaupt und man müsse Lösungen finden, wie das Fürstentum Liechtenstein nochmals dreihundert Jahre überleben könne. Dieses Prinzip müsse natürlich nicht nur auf die Forstwirtschaft, sondern auch auf die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Unternehmen und den Staat umgemünzt werden. Fischler warf daraufhin ein, dass dieses Konzept aufgrund des Klimawandels aber nicht mehr funktioniere. Dieselben Pflanzen könne nicht mehr nachwachsen, man brauche resilientere Pflanzen und anstatt einer Monokultur einen Mischwald. Der Erbprinz bejahte diesen metaphorischen Ansatz und erklärte, dass die liechtensteinische Forstwirtschaft mit mehreren Problemen konfrontiert sei, dem Klimawandel, und dass man vor 100-200 Jahren falsche Pflanzen an falsche Orte gesetzt hatte. Paradebeispiel sei die Fichte, da sie am profitabelsten sei. Fischler stellte fest, dass sich daraus ein allgemeines Prinzip, nämlich das der Diversität deduzieren lasse und fragte den Erbprinzen daraufhin, was die Liechtensteiner machen würden, damit die Balance zwischen Ökonomie, Ökologie und Nachhaltigkeit für die Zukunft weiterhin gesichert sei. Der Erbprinz erzählte daraufhin, dass das heute so blühende Fürstentum Liechtenstein vor 300 Jahren ein bitterarmer Bergbauernstaat gewesen sei und aus den folgenden Gründen seit dreihundert Jahren bestehe: Der peripheren Lage zwischen dem Heiligen Römischen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft, einer großen Portion Glück und weil die richtigen Personen an den richtigen Orten gewesen seien. Liechtenstein hätte vieles richtiggemacht, immanent sei aber die Staatsform, die in Liechtenstein ja auch ein Mix sei, so also auch das bereits erwähnte Prinzip der Diversität erfülle. Das starke monarchische Element sei unter anderem so wertvoll, weil das Fürstenhaus keinen Wahlkampf zu gewinnen hätte und so auch Unbequemes ansprechen dürfe und die Meinung ehrlicher kundtun, als Politiker. Die Kombination aus Monarchie und direkter Demokratie nach schweizerischem Vorbild zwinge das Land nachhaltig zu sein, denn nicht jede Mode könne vorschnell durchs Parlament gepaukt werden. Dem Volk müsse man gut erklären, was weshalb und wann wichtig sei.

Der Erbprinz führte weiter aus, dass Liechtenstein ausser Wasser keine natürlichen Ressourcen hätte und wenn man sich Überschwemmungen in Erinnerung rufe, so sei dies für das Land mehr Fluch als Segen gewesen. Liechtenstein könne sich als Kleinstaat auch keine Verschuldung leisten, sei also schuldenfrei, weshalb Nachhaltigkeit von an Anfang an eine Handlungsmaxime gewesen sei. Ein weiterer Grund für den Erfolg Liechtenstein sah der Erbprinz in der exzellenten Ausbildung der liechtensteinischen Bürgerinnen und Bürger, das wiederum im dualen Bildungssystem verankert ist, in dem die Lehre hoch geschätzt wird. Der Erbprinz betonte ausserdem die Wichtigkeit des Freihandels und der Mitgliedschaft Liechtensteins im Europäischen Wirtschaftsraum im Gegensatz zur Schweiz. Liechtenstein habe gerade in der Industrie auf eine weite Diversität gesetzt. So seien in Liechtenstein hochspezialisierte Unternehmen angesiedelt, die besonders auf Nischenprodukte setzen würden.

Fischler warf daraufhin ein, dass das liechtensteinische Erfolgsmodell zwar beeindruckend sei, dass man es aber nicht auf andere Länder beliebig übertragen könne. S.D. erklärte sich damit einverstanden, schlug jedoch vor, dass man dies auf unterster Gemeindeebene ausprobieren könnte, aber natürlich nicht von heute auf morgen. Das Modell müsse zum Staat, zu Bewohnerinnen und Bewohnern und zur Geschichte des Landes passen. Bereits erfolgte Versuche in Grossbritannien, das liechtensteinische Modell zu übernehmen, seien gescheitert. Man müsse ja auch nicht alles übernehmen, sondern könne auch nur einzelne Elemente gezielt umsetzen. Der Erbprinz unterstrich nochmals die Schlüsselrolle der breit diversifizierten Industrie in Liechtenstein. Liechtenstein sei einer der höchstindustrialisierten Staaten der Erde und rund 40% der Wertschöpfung stamme aus der Industrie. Nachhaltigkeit sei aber nur durch eine Symbiose aller Zweige möglich. So müsse sich hier nicht nur die Bildung, sondern auch die Wirtschaft einsetzen. Auf Nachfrage von Fischler, wie es denn mit dem Finanzplatz Liechtenstein ausschaue, verwies S.D. auf die Steueraffäre und die Krise, welche diese nach sich zog. Da die Finanzinstitute schon vorher nachhaltig gewirtschaftet hätten, hätte auch keines vom Staat gerettet werden müssen. Nach 2008/09 hätten die Finanzinstitute Nachhaltigkeit noch stärker fokussiert. S.D. warnte dennoch vor vermeintlicher Nachhaltigkeit, auch unter dem Begriff Green Washing bekannt.

Fischler fragte S.D. schliesslich, wo er das Fürstentum in 30 Jahren sehen würde. S.D. meinte, dass sicherlich geeignete Reformen in finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht nötig seien. So zum Beispiel eine Reform der Sozialversicherung und der Gesundheitsvorsorge, insbesondere des Pflegebereichs, um eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Ein weiteres bedeutsames Thema sah S.D. in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch die Entwicklung eines ausgefeilten Raum- und Mobilitätskonzeptes seien von essentieller Bedeutung, um einerseits den Wirtschaftsstandort zu stärken und andererseits, um verantwortungsvoll und nachhaltig mit dem begrenzten Raum umzugehen.

Im Anschluss beantwortete S.D. Fragen aus dem Publikum. Ein Zuhörer fragte S.D. nach einem Rezept für den ausserordentlichen Erfolg Liechtensteins. S.D. nannte folgende Punkte: Eine exzellente (Aus-) Bildung mit einem dualen Bildungssystem, das die MINT-Fächer fördere, die entsprechenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen; also ein flexibler Arbeitsmarkt, eine geringe Staatsquote, vernünftige Steuern, zudem Stabilität, um Planungssicherheit für Unternehmen zu garantieren; gute Beziehungen und schliesslich die Einbettung in ein Freihandelsabkommen. Hierbei äusserte S.D. die Sorge vor dem zunehmenden Protektionismus der Staaten, da Liechtenstein sehr stark auf offene Märkte angewiesen sei.

Claudia Katharina Lanter, Stipendiatin 2019